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Inhalt dieser Seite:
1. Urs Jaeggi zu Doris Schöttler-Boll
2. Trauerrede Florian Neuner
3. GeistesGegenwart für Doris - von Angelika Janz
4. HALLO / AUF WIEDERSEHEN Ausstellung mit Werken von Doris Schöttler-Boll /
(Bild (Störung - Text von Florian Neuner für Doris Schöttler-Boll
5. Gedenken an Doris im Kulturforum Steele
6. Atelierhaus Alte Schule 2004 bis 2015 chronologische Bildergalerie von Erwin Wiemer
Doris Schöttler-Boll ist am 29. Januar 2015 gestorben.
Doris, Du warst wunderbar, ideenreich, engagiert, offen, eine Kämpferin.
Du hast Deinen Freunden und denen, die Dich interessierten, wunderbare Gesprächsstunden geschenkt. Und Du darfst auf Dein Werk als Künstlerin stolz sein.
Du wirst uns sehr fehlen.
Urs Jaeggi
Die Abschiedsfeier mit Urnenbeisetzung fand am Montag, 9. März 2015 in der Trauerhalle auf dem Städtischen Friedhof am Hellweg, Hellweg 95 in Essen-Steele statt.
Anschließend gab es ein Treffen im Atelierhaus Alte Schule.
Liebe Freundinnen & Freunde von Doris, liebe Angehörige, liebe Mitstreiter & Kolleginnen,
viele der Anwesenden kenne ich, meist von Begegnungen im Atelierhaus, viele kenne ich nicht. Mindestens ebenso viele aber kenne ich aus Erzählungen von Doris, der es immer ein so großes
Anliegen war, Menschen zusammenzubringen. »Die oder den mußt du unbedingt kennenlernen!« Wie oft habe ich das von ihr gehört!
Ich bin Doris erst 2010 begegnet. Hier sind natürlich viele, die sie wesentlich länger kannten & sicherlich berufener wären, an ihr Leben & ihre Arbeit zu erinnern, in Borbeck, in Bremen & anderswo. Keine fünf Jahre waren es also, in denen ich in regelmäßigem Austausch mit Doris stand & auch häufig zu Gast war in der Alten Schule. Aber ich kann doch sagen, daß sich eine ganz besondere Freundschaft entwickelt hat in dieser Zeit – nein, eigentlich nicht »entwickelt«, sie war vielmehr gleich vorhanden, stellte sich augenblicklich ein bei unserer allerersten Begegnung. Doris war übrigens der Meinung, daß sie besonders gut mit in den siebziger Jahren Geborenen auskommen würde. Unsere Beziehung kann dafür jedenfalls
als Beleg dienen.
Auf Doris & das Atelierhaus als einen der bemerkenswertesten Veranstaltungsorte im Ruhrgebiet hatte mich damals Jürgen Link aufmerksam gemacht. Ich informierte mich & staunte nicht
schlecht über das herausragende Niveau der Reihe »Personen Projekte Perspektiven«, deren Auftakt ein Vortrag Inge Morgenroths über Unica Zürn am 9. 9. 1999, worauf Doris immer wieder hinwies,
gewesen war. Harun Farocki, Urs Jaeggi & Timm Ulrichs waren dort ebenso schon aufgetreten wie D. E. Sattler, Claudia Gehrke & Rike Felka. & Angelika Janz lernte ich bei einer
Veranstaltung zu der Zeit kennen, als ich selbst schon zu den Besuchern des Atelierhauses zählte. Die anspruchsvolle Mischung aus Theorie, Kunst- vermittlung & Literatur hätte jeder
Kulturinstitution oder Hochschule alle Ehre gemacht. Es handelte sich aber um einen Ein-Frau-Betrieb. Geld war eigentlich nie genug vorhanden, Subventionen der Stadt gab es nur in einer
beschämend geringen Höhe. Die prekären
Bedingungen mußten mit Enthusiasmus gekontert werden, & spätestens nach dem ersten
Telephongespräch, als sie die Begeisterung von Doris spürten, waren die Referenten dann auch geködert & wären großteils auch dazu bereit gewesen, ganz ohne Honorar aufgetreten. Das klingt
jetzt so harmlos nach der üblichen Geschichte einer Überzeugungstäterin – & ohne solche Überzeugungstäterinnen geht natürlich nichts im Kulturbetrieb, das wissen wir, – warf in der Praxis
aber nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf & führte regelmäßig zu handfesten
Finanzierungslücken. Im Mai 2010, in diesem Kulturhauptstadtjahr, war ich zum ersten Mal im Atelierhaus. Jürgen Link hielt einen Vortrag über Bourdieu, Luhmann & Foucault & ich staunte
noch mehr, wie in den lebhaften Diskussionen die andernorts unüberwindlichen Barrieren zwischen geisteswissenschaftlichen akademischen Debatten & der Herangehensweise von Künstlern,
Kunstinteressierten & sogenannten Laien überhaupt keine Rolle spielten. Ich habe nie ein erfreulicheres Publikum & ein besseres Diskussionsklima erlebt als in der Alten Schule. Doris
& ich hatten sofort einen Draht zueinander, wie man sagt, & wir saßen nach dem Vortrag von Jürgen Link noch bis weit nach Mitternacht an dem langen Tisch. Das war ein Prinzip von Doris,
daß sie mit Netzwerken des Vertrauens arbeitete: Ein für sie vertrauens- würdiger Freund oder eine Freundin empfahl jemanden, der oder die wiederum weitere Verbindungen herstellen konnte. So
entstehen Netzwerke. Ihr Netzwerk war ein ganz erstaunliches. Kurz darauf durfte ich dann bei Doris schon mein gerade erschienenes Buch »Ruhrtext. Eine Revierlektüre« vorstellen Es war die für
mich befriedigenste Lesung aus diesem Buch im Ruhrgebiet, wo ich die Literaturszene, die es eigentlich kaum gibt, kleinkariert & provinziell erlebt hatte. Denn meist überwog das Mißtrauen die
Neugier: Wie kommt jemand, der hier gar nicht aufge-wachsen ist & nicht einmal einen Bergmann in der Familie hat, dazu, über unser Revier zu schreiben? Im Atelierhaus war das Echo ein ganz
anderes, aus der lebhaften, langen Diskussion habe ich viele Anregungen mitgenommen.
Ich frage mich heute: Ist uns eigentlich bewußt, welche Arbeit Doris im Atelierhaus
geleistet hat?
Wenn ich dort ankam, konnte Doris eine Stunde lang erzählen, & es war ihr auch ein Bedürfnis,
welche Ausstellungen zwischen Düsseldorf & Dortmund, Siegen & Recklinghausen ich unbedingt sehen müsse. Dann sprang sie auf & holte einen Flyer oder eilte zu ihrem Computer &
recherchierte schnell einen Termin im Netz. Soviele Informationen liefen an diesem Knotenpunkt am Äbtissinsteig zusammen! Natürlich war das alles gar nicht zu schaffen, war es unmöglich, überall
hinzugehen, aber Doris bedauerte es ehrlich, selbst nicht immer & überall dabei sein zu können – nicht weil sie wahllos gewesen wäre in ihrem Urteil über Gegenwarts- kunst oder alles hätte
gelten lassen, was die näheren & ferneren Bekannten & Kollegen an Rhein & Ruhr präsentierten, das keineswegs. Aber sie wollte doch allen & allem eine Chance geben &
Gerechtigkeit widerfahren lassen, & kannte auch überall Leute, von denen sie meinte, daß die sich ehrlich bemühten.
Angesichts ihrer ansteckenden Begeisterung kam ich mir dann oft reichlich abgebrüht & -geklärt vor, zu wenig neugierig. In letzter Zeit hörte ich dann aber auch immer häufiger von Doris: »Das
wird mir alles zuviel!«
Heute wird ein gewaltiges Brimborium um die sogenannte Vermittlungsarbeit gemacht, modisch ist dann von »education« die Rede. Museen geben viel Geld aus, um sich so in neoliberalen Krisenzeiten
besser legitimieren zu können. Doris leistete ganz ohne Finanzierung & wie selbstverständlich, was diese Institutionen ihren erheblichen finanziellen & personellen Ressourcen zum Trotz
oft gar nicht hinbekommen. Wer wissen will, wie basisnahe Kunst- vermittlung geht, der findet in ihrer Arbeit eine Blaupause. Wer beispielsweise die im Rahmen der Aktivitäten von »Atelierhaus
Extern« versandten Dossiers las, der war umfassend informiert über die Kunstszene an Rhein & Ruhr. Wie das alles zu schaffen war? Sicher nur um den Preis, daß Doris ihre eigene künstlerische
Arbeit vernachlässigte. Für zu vieles & zu viele fühlte sie sich verantwortlich. Aber – andererseits – wer sind wir, zu beurteilen, was da zuviel gewesen sein mag? Ihre Empathie & ihr
Sinn für Gerechtigkeit kannten jedenfalls keine Grenzen. Ob es um die Gängelung eines Freundes durch das Jobcenter ging, um die Vergabe von Posten im Kunst- & Universitätsbetrieb oder um die
Schließung des Schwimmbads in Steele – das alles ging ihr nahe, sie konnte, wenn sie davon erfuhr, nicht umstandslos zur Tagesordnung übergehen. & sie war davon überzeugt: »Ich muß die
Stellung halten!«
Im Atelierhaus Alte Schule, in das sie soviel Arbeit & Mühe investiert hatte & wo sie doch
nicht einmal mehr, man darf das heute nicht beschönigen, geduldet war. Es ist auch keine allzu gewagte Behauptung festzustellen, daß diese ständige Unsicherheit ihrer Gesundheit – vorsichtig
ausgedrückt – nicht gerade förderlich war. Gemessen an dem, was in kultur-politischen Sonntagsreden behauptet & als Ziel ausgegeben wird, müßte sich doch eigentlich jede Kommune darum reißen,
möglichst viele Atelierhäuser nach dem Steelenser Modell zu haben & selbst unter rein ökonomischen Aspekten, die wir uns mit Doris natürlich verbitten: Mehr Effekt mit weniger finanziellem
Einsatz geht überhaupt nicht!
Die Stadt Essen freilich, die es im Winter, als Doris schon krank war, die längste Zeit nicht schaffte, die Heizung im Atelierhaus zu reparieren, hat vor wenigen Tagen gehandelt & die
Schlösser austauschen lassen. Wir werden wahrscheinlich in naher Zukunft erleben, daß die Alte Schule abgerissen & daß auf dem Grundstück ein Altenheim errichtet wird. So sehen die
Zukunftsvisionen für Stadtteile wie Steele aus, Phantasie & Intelligenz sollte man nicht erwarten. Aber vielleicht ist das letzte Wort ja doch noch nicht gesprochen? Vielleicht wird hier in
Steele ein Zentrum für Kunst, Medien & Kommunikation ja weiterhin gebraucht & vielleicht gibt es Menschen, die sich dafür stark machen werden?
Die Feststellung, daß genau das in Doris' Sinne wäre, trifft sicherlich zu. Aber darum kann es,
glaube ich, gar nicht gehen, nicht in erster Linie. Irgend etwas zu tun oder zu unterlassen & damit zu begründen, daß es der vermeintlichen Intention einer Verstorbenen entsprochen hätte, ist
doch letztlich nur eine Ausflucht. Im Atelierhaus Alte Schule sind so viele Fäden zusammengelaufen, Doris hat so viele Menschen miteinander in Verbindung gebracht. Es ist jetzt an uns, diese
Fäden wieder aufzunehmen & vielleicht auch neu zu verknüpfen; & zwar nicht, weil das Doris gefallen hätte – es hätte ihr natürlich gefallen –, sondern uns zuliebe, weil wir etwas davon
haben. & wir können damit augenblicklich beginnen. Viele Menschen, die heute hier sind, sind Teil eines Netzes, das Doris geknüpft hat. Sie wären nicht hier ohne die verbindende Freundschaft
oder Bekanntschaft mit Doris. Das festzustellen ist natürlich eine Banalität auf einer Trauerfeier, aber es bekommt hier & heute doch eine andere Bedeutung. Das wäre ein möglicher
Ausgangspunkt. Fast jedes Telephongespräch hat Doris mit der aufmunternden Feststellung beendet: »Wir lassen uns nicht unterkriegen!« Im allerletzten Gespräch, das ich Mitte Januar noch mit ihr
führen konnte, einen Tag vor ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, ging es ausschließlich um Zukunftspläne – aber nicht etwa um Pläne für diese Trauerfeier, nein, um künftige Veranstaltungen im
Atelierhaus.
In diesem Sinne: Lassen wir uns nicht unterkriegen!
Trauerrede Florian Neuner am 9.3.2015
GeistesGegenwart für Doris
Es umschläft dich.
Kälte strömt
In den Atem deiner frühen Tage,
heute auf weiches Entfernen zu.
Auf noch Wildes in dir
treibt es zu, auf uns zu auf dem Gedächtnisweg,
aus dem Eis geweckt.
Es trifft uns hautnah,
blickgenau,
um das augenblicklich ganze Bild,
noch in dieser Minute zu umreißen,
durch deinen Verlust
zu beschwichtigen.
Dein Sturz, wohin, wenn Unterwegssein
abwärts rast ?
Ausgeglitten, ausgelitten. als Blühendes,
Glühendes,
bist du wesenhaft Wiedersein,
Widersinn, in Ja-Gestalt.
Doch schon führst Du,
uns vorbei an dem Bild
das dich flieht
vorgetragen von Angelika Janz bei der Trauerfeier für Doris Schöttler-Boll am 9.3.2015
Die Ausstellung mit Werken von Doris Schöttler-Boll fand vom 17.5. bis zum 17.6.2015 im Forum Kunst & Architektur in Essen, Kopstadtplatz 12, statt.
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Am 3. Januar hätte Doris Geburtstag gehabt. Dieses Datum nahmen wir zum Anlass, uns an diesem Tag im Kulturforum Steele zusammenzusetzen und einen Kaffee, einen Tee oder, wie es Doris vielleicht noch besser gefallen hätte, einen Sekt zu ihrem Gedächtnis zu trinken.
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Das Erdgeschoss des Atelierhauses darf inzwischen von der Flüchtlingshilfe Steele e.V. für Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden.
Der Zugang zu den oberen Etagen ist durch eine hässliche Gitterkonstruktion gesperrt.
Hier ist eine Nutzung als Atelierhaus im Sinne von Doris Schöttler-Boll nach wie vor wünschenswert.
In der Bildergalerie habe ich eine Auswahl von knapp 500 Fotos aus dem Atelierhaus Alte Schule zusammengestellt. Die Bildabfolge ist chronologisch von 2004 bis Anfang 2015.
Doris Schöttler-Boll hat das Atelierhaus Alte Schule mit der Vortragsreihe Personen Projekte Perspektiven (PPP), dem Kunstprojekt Potentiale, Exkursionen (Atelierhaus extern), Lesungen, Aufführungen und Filmveranstaltungen zu einem ganz besonderen Ort des Austauschs für Kunst- und Kulturinteressierte gemacht, der im Ruhrgebiet und darüber hinaus seinesgleichen sucht.
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(zur Zeit 464 Bilder)
Die Bilderschau wird noch bearbeitet und mit weiteren Bildunterschriften ergänzt.
Auf den folgenden Seiten habe ich Bilder und Texte zum Atelierhaus Alte Schule in einem chronologisch aufgebauten Archiv zusammengefasst. Wer ausführlichere Informationen sucht oder sich als Teilnehmer einer der vielen Veranstaltungen des Atelierhauses noch einmal an die Zeit mit Doris zurückerinnern möchte, ist hier genau richtig.